Harald Darer: Wer mit Hunden schläft

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Anti-Heimat-Idylle

Der Herr Norbert redet nicht viel. Schon gar nicht redet er mit dem Psychologen von der Männerbewegung, bei dem er gerichtlich verordnet eine Therapie machen muss. Nach allem, was passiert ist. Und passiert ist dem Herrn Norbert schon Einiges. Aber mit seinem Hund, dem Kreisky, mit dem redet er und erzählt ihm seine ganz und gar unidyllische Lebensgeschichte.

Der Harald Darer, der in seinem ersten Roman die Lebensgeschichte des nordsteirischen Bankerts der Leitenbauer-Dirn beschreibt, redet zum Glück mehr als sein Protagonist. Überhaupt ist im Gegensatz zum Herrn Norbert ein durchwegs sympathischer Zeitgenosse. Das trifft sich natürlich gut für meine Leserunde. Bei der war der Darer nämlich ein willkommener Gast, als wir sein Buch besprochen haben.

Mit Stargast

Für die Leserunde ist es immer ein seltener Glücksfall, wenn der Autor des Buches bei der Besprechung dabei sein kann. Und bei alten Klassikern oder internationalen Bestsellern ist das auch schwerlich machbar. Aber gerade auch aktuelle österreichisches Literatur gibt einiges her und die Werksbesprechung gewinnt deutlich an Tiefe und Nuancen, wenn man einen Roman mit demjenigen besprechen kann, der ihn geschrieben hat.

Und gerade die Steirerin in meiner Leserunde fühlte sich drastisch an rurale Lebensentwürfe erinnert, als wir vom unehelichen Landarbeiter-Kind Norbert gelesen haben, der in einem von Unterdrückung, Kälte und Unverständnis geprägtem Umfeld auf dem Leitenbauern-Hof aufwächst. Als es mit dem tyrannischen Bauern zum Eklat kommt, wird der Norbert sogar von der Mutter, die sich in der bäurischen Gesellschaft nicht oder nur durch das Anführen diverser, ihr lieb gewonnener Sprichwörter zu helfen weiß, in ein Kinderheim in das entfernte Wien abgeschoben.

Das ist dem Norbert noch nicht einmal so unrecht, denn am Hof hält ihn nicht viel, Heimatidyll empfindet er genauso wenig wie Nähe zu den Menschen, mit denen er dort lebt.

Vom Regen in die Traufe

In Wien lernt der Norbert Mädchen kennen, verliert diese aber genauso wie die eigene Mutter. Zeit lebens kann man den Herrn Norbert eigentlich als Öl zu Wasser bezeichnen. Er mischt sich einfach nicht mit anderen Leuten. Aber irgendwann wird es einem jeden zu viel.

Dem Herrn Norbert passiert das im D-Wagen. Und was zu viel ist ist zu viel.

Sprachlich unangepasst

Der neugierige Leser findet in der Presse folgende Passage, die ich sehr passend finde.

An Harald Darers Sprache wirkt nichts aufgesetzt, sondern im Gegenteil alles ausgesetzt. Die Sprache, eigenwillig und unverwechselbar, setzt sich und damit die Protagonisten und den Verfasser des Romans dem unverstellten Blick des Lesers aus. Ihre Ästhetik liegt in der beharrlichen Weigerung, irgendetwas ästhetisch glattzuschmirgeln.

Tatsächlich war die Leserunde in seltener Einhelligkeit zwar einerseits bedrückt und schockiert von den tragischen und vielfach übertrieben grauslischen Schilderungen von Gewalt, Tyrannismus und Quälerei, die das Leben des Herrn Norbert so prägen. Andererseits gelingt es Harald Darer gerade in seinem Stil und Sprachduktus dem Leser die Bedrücktheit und Abscheu nahe zu bringen. Näher als es einem manchmal beim Lesen lieb ist.

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