Die gute alte Lemauni
In Schönbrunn gibt es „die größte Zitrussammlung nördlich der Alpen“ zu bestaunen und zu verkosten, ist die Katharina Seiser von Esskultur überzeugt und führt in einer 90min Tour de force durch dieses Jahr 17 Kostproben jener Fruchtfamilie, die Christa Fuchs und Gudrun Harrer als „Lemauni“ bezeichnen. In ihrem Sammelband „Besoffene Kapuziner und andere Rezepturen zu kulinarischen Verbesserung Mitteleuropas“ stellen sie nicht nur eingelegte Zitronen in den Ruhm, den sie verdienen, sie erklären dem interessierten Leser auch, dass die Zitrone oder eben früher „Lemauni“ durch die Mauren nach Sizilien und Spanien gelangten und von da an ihren Siegeszug durch Europa antraten. Gott sei Dank, denn sonst wär uns eindeutig etwas entgangen. Das beweist die Verkostung anlässlich der Zitrustage allemal. Hier eine Foto-Lovestory und meine kurzen Verkostungsnotizen.
Am Verkostungsstand – 5€ kostet der Spaß übrigens on top zu den 5€ Eintritt zu den Zitrustagen – finden sich schon allerlei gelb-orange Besonderheiten. Katharina Seiser führt mit Zwischenrufen und Einwürfen des Schönbrunner Zitrus-Oberen Heimo Karner durch 17 großteils rohe, teils verarbeitete Zitrusfrüchte.
Verkostungsnotizen
1) Süße Zitrone
von außen sieht die aus wie ein herkömmliche Zitrone, innen aber fehlt jede Säure, schmeckt leicht bitter, süß, etwas leer-seifig aufgrund starker Saftschläuche, sodass die Konsistenz eher an trockenes Fruchtfleisch von Clementinen erinnert.
2) Panaschierte, rosafleischige Zitrone
schmeckt deutlich zitroniger, reifer und durch ihr in der Farbe etwas an Grapefruits erinnerndes Fruchtfleisch leicht metallisch
3) Persische Limette
laut Wikipedia der Ursprung vieler Limetten und Zitrusfrüchte, also eine der Mütter des Sauren. schmeckt wirklich sehr sauer und bitter, leichte Kiwi-Anmutung, durchaus auch erinnernd an Bergamotte, weil seifig-basisch
4) Pomeranze aka Bitterorange
die gute alte Bekannte (siehe ganz unten) in meiner Küche, wird bei Katharina Seiser mit Butz und Stingel, also Schalte, Fruchtfleisch und Albedo verputzt; wobei eher der Genuss des Fruchtfleisches ungewöhnlich ist
trockenes Fruchtfleisch, breit-bittere Aromen, fast hagebuttig, sehr aromatisch
5) Pomeranzen Marmelade
Nach dem Rezept von Dan Lepard eingekocht, etwas süßer als ich sie mag und auch flüssiger, aber im Geschmack so tröstlich-englisch wie gewohnt, bitter-harzig
6) Pomeranzen Blüten
This is the real stuff, der aus dem Neroli gewonnen wird. All jene, die keine Pomeranzenbäume im Garten haben, so wie ich, kommen an frische Blüten in unseren Breitengraden quasi unmöglich ran. Also Nase rein und schnüffeln. Orangenblüten-Essenz ist nichts dagegen, frisch-süß, betörend ohne das Überwältigend-Schwindelerregende von zum Beispiel Veilchen und dergleichen. Voll im Bouquet, nicht schneidend, sehr rund
7) Pomeranzenblütensirup aus dem Steirereck
Sogleich werden die Sinneseindrücke noch getoppt mit zwei Tropfen aus einer Pipette, die feinen Pomeranzenblüten-Zuckersirup auf mein Probierlöffelchen appliziert. Das ist schon fast zuviel, so parfümiert ist die Flüssigkeit. Eher klebriges Parfum von toupierten Damen, die es zu gut meinen mit der Körperpflege.
Im Steirereck werden übrigens die Schätze aus dem Schönbrunner Zitrusgarten verkocht, falls ihr das noch nicht wusstet.
8) Bergamotten-Schale
Der Gipfel des Seifig-Parfümierten ist erreicht. Das Aroma von Bergmottenschalen, die Katharina Seiser frisch in eine Schüssel schält als Schnüffelprobe, kennen meine Gäste ebenfalls. Ich parfümiere Salz und Zucker mit Schalenabrieb, trockne das Fruchtfleisch und aromatisiere Cremes und Puddings damit.
9) Bergamotten-Mark aus dem Steirereck
Mit Enzymen denaturiert und sous vide bei Niedertemperatur eingekocht kommt das Fruchtfleisch der Bergamotte daher. Es fehlen die vielschichtigen Aromen der Schale, sodass das Fruchtfleisch weniger duftig, dafür süßer, eher fruchtig schmeckt.
10) Wasserauszug von der Kaffirlimette
Wir wechseln zu der Zitrusfamilie, die von der Ichang Papeda abstammt, damit zu dem Zitrus-Sorten mit den abgesetzten Doppelblättern. Von das Kaffirlimette werden die Blätter für Thailändisches wie Curry und Salate verwendet. Bei der Verkostung gibt es einen Wasserauszug von den Blättern, die erstaunlich viel der komplexen Aromatik der Kaffirlimette einfängt: würzig, duftig, grünere Aromen als die bisher geschmeckten.
11) Zedratzitrone Diamante
Fliegender Wechsel zu Zedratzitronen, mit ihrem großen, dicklich-festen, süßen Albedo. Die Diamanten schmeckt duftig aber nicht überparfümiert. Die Albedo-Noten schon fast karamellartig. Der Biss in die Fruchtscheibe erhält einen sehr interessanten leichten Frischekick durch das Mitessen des Fruchtfleisches, das die dichte Süße des Albedos wunderbar auflockert.
12) Buddhas Hand
Eine der Mode-Zitronen; das Verkostungsexemplar war geschmacklich mMn nicht ganz perfekt. Grundsätzlich angenehm, weil nicht übermäßig süß, sehr parfümiert, Geschmack fast ein wenig nach Blüten von Pelargonien
13) Eingelegte , kandierte Buddhas Hand
Für meinen Geschmack zu süß, um der hauchdünnen Zitronenschicht wirklich zu besserem Geschmack zu verhelfen.
14) Lipo, oder Kaiserzitrone
Außen groß, schrumpelig-zitronig, innen sehr helles, fast weißes Fruchtfleisch mit ausgeprägte Saftschläuche, die ich grundsätzlich sehr mag. Pomelo- und Grapefruit-Noten, die an trockene Schärfe denken lassen. Wahrscheinlich gute Säure zu weißem Pfeffer
15) Meyer Zitrone
Sehr reifes, fast komplett oranges Exemplar, Fruchtfleisch und Schale mit den bekannten, an Thymian erinnernden, Honignoten. Exotische Aromen, ohne zu stärkt von Zitrus-Noten abzuweichen.
16) Limonade
die australische Kreuzung zwischen Zitrone und Mandarine (?) schmeckt wie der Name schon sagt, fast Bonbon-ähnlich süß, ohne vollmundig im Sinne von Karamell zu werden. Eher helle Schale und Fruchtfleisch, Anmutung an Ananas und etwas wie Löwenmaul-Blüten
17) Getrocknete Räder von Diamante und Melarosa
Mit einem Schlusspunkt aus dem Steirereck wird die Verkostung beschlossen: die getrocknete Diamanten entwickelt Noten, die fast an Bergamotte erinnern, die Melarosa bringt mehr Säure mit und dadurch eine etwas interessantere Aromatik.
Übrigens, in meiner Küche sehen die Zitrusschätze so aus (siehe unten):
- Parfümierte Salzblüten von verschiedenen Sorten
- Ebenso parfümierter Feinzucker
- Eingelegte Meyer Lemons mit Gewürzen
- Lemon Curd von Meyer Lemons
- Getrocknete Bergamotten und Pomeranzen
- Sirup und Marmeladen
- Parfümierte Auszüge (in Alkohol, Weinbrand und Wodka) von Bergamotten und Pomeranzen
- Blätter verwende ich von Kaffirlimetten und Yuzu, die ähnlich wie Bergamottenblätter herrliche Aromaspender sind. Nur leider hab ich dazu keine Pflanze (oder Bilder)
danke fürs kommen, kosten – und für die detaillierten und kundigen notizen!
da gibt’s also noch mehr neroli-addicts da draußen 😉
ad buddhas hand: was die hauchdünnen scheiberln im sirup betrifft, gebe ich dir recht. wir hatten schon in der gestrigen verkostung den sirup vorher abgegossen, damit sie ein bisschen „trockener“ zur verkostung gelangen. ad frische frucht: du warst am freitag da, den fotos nach zu schließen. ich habe (wie jeden tag alle früchte) die buddhas hand am freitag beim aufschneiden gekostet und als ganz besonders gut – sogar süßer und reifer als die diamante vom freitag – empfunden. was allerdings sein kann: dass dein koststückerl eines nahe am ansatz war, dort lassen vor allem süße, aber auch aroma und intensität nach. „parfümiert“, sogar sehr, schmeckt die schale immer und soll sie auch.
deine zitrus-vorratskammer kann sich sehen lassen! mich würde noch interessieren, woher du yuzublätter hier in wien bekommst.
ps: see dm auf fb pls.
Hey Katha!
Danke fürs Vorbeischauen und Kommentieren!
Was die Buddhas Hand betrifft: so eine Verkostung ist natürlich immer ein sehr kurzer Zeitraum, in dem viele unterschiedlichen Noten zum Erschmecken sind. Und obwohl ich mir schon einbilde, Geschmackseindrücke besser merken und zuordnen zu können als so manch anderer sind das natürlich trotzdem äußert flüchtige Eindrücke.
Kann sein, dass das rohe Stück, das ich verkostet habe, eher vom oberen Teil war und nicht so ausgeprägt geschmeckt hat.
Kann auch sein, dass ich nach mehr als 10 Kostproben schon etwas desensibilisiert war.
Bei Verkostungen merke ich grundsätzlich, dass das Geschmackswahrnehmen seinen Höhepunkt ab der 3-4 Probe hat, da schmeckt man sich in eine Aromawelt ein und beginnt am besten feine Unterschiede wahrzunehmen. Oder so geht es mir zumindest. Aber dann wird es natürlich auch mal eher viel, und 17 Kostproben sind eben eine Herausforderung, alles gut zu schmecken.
Vielleicht lag es gar nicht an der verkosteten Frucht, sondern an meinem Gaumen…
Die Yuzu ist ein ca. 30cm großes Bäumchen bei mir auf der Terrasse, das ich mal bei einer Raritätenbörse gekauft habe. Hat noch nicht wirklich Früchte getragen, aber wie gesagt die resch-säuerlichen Blätter (hantiger und zitrusartiger als Kaffir) lassen sich in jungem Zustand verarbeiten. Sobald die Sintflut-Regen ein wenig nachlassen, werd ich deinen Kaffir-Wasser-Auszug damit versuchen.
Falls du jedenfalls mal ein paar Blättchen (recht groß ist die jährliche Ernte leider nicht) haben möchtest, gib Bescheid!
Alles Liebe,
phil
danke für deine ausführliche antwort, neinnein, es kann schon an der frucht liegen. und ja, 17 kostproben (samt sauer und bitter und sehr aromatisch) sind eine riesenherausforderung für jeden gaumen!
yuzubäumchen, sehr schön! danke für das angebot, ich hatte heuer im winter schon einmal das vergnügen, in schönbrunn gibt’s ein paar winzlinge, habe die gleiche erfahrung mit den blättern gemacht – wollte nur wissen, ob du sie wo kaufen kannst (die früchte samt blättern), das hätte mich nämlich echt verblüfft.
Schöne Notizen. Ich war in diesem Jahr ausschliesslich mit staunen beschäftigt. Vielleicht klappte nächstes Jahr neben zuhören, fotografieren und kosten auch mit den Notizen.
Danke schön.
Stimmt schon, man würd sich zumindest ein Paar Hände mehr wünschen um zu kosten, zu schreiben, zu fotografieren…!
Das Wichtigste ist auf jeden Fall das Schmecken. Solange das geklappt hat, wars ein Erfolg!!