Michael Langoth kennen Liebhaber kulinarischer Koch-und Bildbände als einen aufmerksamen Beobachter von Kultur und Kulinarik ganzer Landschaften und Kulturräume. Diesmal legt er keine Fortsetzung der Auseinandersetzung mit der vietnamesischen Küche des Mekong-Deltas, der Po-Ebene oder den Gewürzwelten Indiens vor. Sondern ein kulinarisches Manifest samt angeschlossener Rezeptsammlung.
Die Kochgenossen
Michael Langoth hat eine Gemeinschaft kulinarisch Interessierter gegründet, die die Finessen, das Terroir und die Logiken regionaler Klassiker, traditioneller Rezepte und Rezepturen ergründen will, weg von Chichi, weg von Superfood, hin zu den bescheidenen und einfachen Genüssen, weg von hochtarbenden Zutatenlisten. Diese Gemeinschaft sind die Kochgenossen. Ihnen geht es darum, authentische Kochsprachen zu entziffern, zu schmecken, gemeinsam zu reisen, zu kochen, zu genießen – ganz egal ob es sich um das Verstehen von fernen Kücheneigenheiten oder das beste Rezept für Krautfleckerl handelt.
Dabei stellen sich nicht unwesentliche Fragen für Gourmets und Gourmands: Was ist Geschmack? Was ist Authentizität? Was ist Kochen?
Als Antwort identifiziert Langoth im ersten Teil seines neuen Kochbuchs eine Kulturgeschichte des Kochens als Urform der Transformation – vom Rohen zum Verbranntem und allem dazwischen. Hochinteressant für jene, die sich mit den prähistorischen Anfängen des Kochens beschäftigen wollen.
Aus diesen Techniken und der Erkenntnis, dass sich aus universellem „Wie“ ein regional unterschiedliches „Was“ gebildet hat, formuliert Langoth seine Forderungen nach (Rück-)Besinnung auf Genuss als kulinarisches Manifest:
Das Manifest der Kochgenossen
„Dies ist ein Plädoyer für selbstbestimmtes Kochen, das sich als Gegenmodell zur Dominanz der Lebensmittelindustrie versteht. Es ist eine Aufforderung, seine Sinne zu trainieren und sich nicht ablenken zu lassen von Luxus, Prestigebedürfnissen, Moden und schönem Schein. Es geht allein um den wahrhaften Geschmack.
Für ein realistisches und alltagstaugliches Kochen, das auf den Koch-Sprachen der authentischen, handwerklich gewachsenen Regionalküchen aufbaut.
Für das Verstehen der Konzepte und Entwicklungsgeschichten von Gerichten und damit ihres eigentlichen Wesens.
Für das Sichtbarmachen der präzisen Details, die gutes Kochen ausmachen und die nicht in Rezepten stehen.
Für das Erkennen der Vorteile einer selbstbestimmten Nahrungsproduktion und ihrer Konkurrenzfähigkeit zur Industrie.
Für ein Kochen, das sich nicht über Verzicht und Abgrenzung definiert, sondern ausdrücklich alles zulässt – Vielfalt statt Intoleranz.
Für ein kooperatives Kochen, bei dem das Wissen geteilt wird.
Für den angstfreien Genuss.“
Ist es wirklich ein Manifest, worum es in Michael Langoths neuem, reich bebilderten und umfassend methodisch aufgearbeitetem Buch geht?
Nein, das denke ich nicht. Wenn es wirklich um ein Manifest im eigentlichen Sinne ginge, wäre das Buch um Einiges missionarischer unterwegs. Glücklicherweise ist es das aber nicht! Langoth beschäftigt sich so eingehend mit der Geschichte der Transformation von Lebensmitteln zu Gerichten und mit den methodischen Feinheiten, dass dem Leser regelrecht neue Geschmackswelten geöffnet werden. Und dabei deckt er Ähnlichkeiten und Unterschiede der Methoden und Zubereitungsformen auf, mit viel Verve und Durchblick, dass die Welt des Knödels (vom chinesischen Wantan über den tibetischen Momo bis hin zum österreichischen Nockerl) wie ein nie gekanntes Genuss-Universum erscheint!
Als Rezept der Kochgenossen teile ich mit euch eines für Käsknöpfle und wünsche viel Spaß beim Nachkochen und Schmökern.
Ich hatte den jedenfalls bei der Nachlese des vom Verlag dankenswerterweise zur Verfügung gestellten Exemplars!
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