Auch zusammen bleibt man allein

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Die Leserunde nimmt sich Sibylle Bergs „Der Mann schläft“ vor

Sibylle Berg: Der Mann schläft (Hanser)
Quelle

Ein armes, aber kaltes Geschöpf von Frau, unsicher, unfähig mit anderen in Beziehung zu treten, umgeben von kaputten Existenzen hat eigentlich schon aufgegeben. Da lernt sie einen nicht gutaussehenden oder intelligenten Mann kennen, aber einen den sie aushält und der sie aushält, weil jeder ein wenig allein bleibt. Halt gemeinsam.

Als die beiden Außenwelt-Flüchtlinge beschließen auf einer Insel im südchinesischen Meer zu Urlauben geht etwas schief. Der Mann, dem sich die Ich-Erzählerin nicht mal getraut, einen Namen zu geben, kehrt von einem Einkauf einfach nicht zurück.

Die schon zuvor nicht sehr lebensfähige Frau wird vollends dysfunktional. Kann nicht weg, hält das Bleiben nicht aus. Kann weder vor noch zurück und erzählt die Geschichte dieser Beziehung, während sie unter den Einheimischen genauso unmögliche und verhinderte Existenzen findet. Der Ausgang der Geschichte, nun ja, den will ich nicht spoilen.

Und ich…? Was kann ich euch sagen?

Also, ich tu mir schwer. Ja, einerseits ist es das mildeste, positivste Buch, der Autorin, die als die Hasspredigerin des Singletums bekannt wurde. So liest man zum Beispiel in der FAZ:

„Sibylle Berg, die 1962 in Weimar geboren wurde und heute in Zürich lebt, wurde damals als Hasspredigerin der Single-Gesellschaft gefeiert. Obwohl ihr Ton in der Zwischenzeit schon ein wenig milder geworden ist, überrascht es doch, dass ausgerechnet sie sich daranmacht, eine Liebe zu schildern, die „ruhig und still verlief, die freundschaftlich war und eine gewisse Niedlichkeit ausstrahlte“.“

Und, ja. Die meisten Mitglieder der Leserunde fanden die Beziehung sehr berührend geschildert. Herzergreifend, wie diese beiden Existenzen sich finden und zusammen wenigstens eine Art von Glück finden, an das sie selbst nicht mehr geglaubt hatten. Vielleicht sieht man an dieser Interpretation auch, dass die Leserunde einen Frauenüberhang hat.

Ich hab mir mit der Sibylle eher schwer getan. Ich war über weite Strecken von der Distanz zwischen der Frau und dem Mann (beide namenlos, beide nicht mal wirklcih als Personae geschildert) so irritiert und, ja, angewidert, dass ich daran nichta romantisches oder tröstliches erkennen konnte.

Aus meiner persönlichen Biographie kann  ich aus eigener Erfahrung sagen, wie es sich anfühlt, wenn jemand unerwartet plötzlich nicht mehr wieder kommt. Insofern wär das eigentlich wirklich ein Buch für mich. Aber da mir die Nähe zwischen den beiden gefehlt hat, ob berechtigt oder nicht, sei dahin gestellt, konnte ich da nicht mitfühlen.

Ich kann – es ist einfach so – schwer Mitleid oder Sympathie empfinden, für die Sprecherin/Denkerin dieser Worte:

„Gibt es einen größeren Witz als den Menschen? Emotionale Krüppel in abstoßenden Hüllen, der Welt, dem Rudel, dem Wetter, den Gewalten hilflos ausgeliefert, torkeln wir durch ein Dasein, das an Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist.“

Diese Gedanken mögen alle ihre Berechtigung haben. Allein, ich glaubte ihnen die Liebe nicht.

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