(einsam in dich verliebt)
Sommerfrische ist ein wundervolles Wort. Es vereint in einem Atemzug die unendliche, dottergelbe Freiheit des Sommers, der sich in unseren Kindheiten als der große Freigang ausgedehnt hat, das große Abenteuer, was wir mit unserer Zeit alles anzufangen vermögen würden. Und im gleichen Wort folgt sogleich die grün-türkise Kühle und der Genuss, mit einem Platsch im Bach zu landen und gleich darauf die Haare auszuschütteln, die Sommersprossen in die Sonne zu recken und sich so erleichtert, so lebendig auf die Böschung fallen zu lassen. Glitschig und kühl, ein zappelnder, lachender Wiesenfisch.
Und dabei ist es nicht nur so unkompliziert wie diese leichte Ahnung aus unseren Kindertagen. Es steht auch auf einem Podest. Eines, das bereits die Gebrüder Grimm begonnen haben zu bauen, als sie den Begiff in ihrem Wörterbuch definierten als „Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit“. Wikipedia meint, der Begriff wäre aus der Mode. Aber nein! Das kann man einem Wort wie diesem, das für die ungezungene Zeit abseits des städtischen Treibens die Pluderhose, die Riemchenschuhe und den Sonnenschirm in Schrankkoffern bis in die Berge transportiert, nicht antut!
Es lebe die Sommerfrische!
Das alles kann das Wort Sommerfrische. Es leuchtet und glitzert und ich habe lange gewartet, bis ich im in diese Verheißung folgen konnte. Jetzt hab ich mein Pinckerl gepackt und mache mich auf.
Und ich trete in große Spuren. Elisabeth Tworek schreibt in ihrem Lesebuch „Literarische Sommerfrische“:
„Angefangen hatte die Landpartie bereits im 16.Jahrhundert. Damals verbrachten Münchner Adelige und Patrizier die Sommermonate auf ihren Herrensitzen im malerischen Umland. Sich aufs Land zurückzuziehen war aber keine Erfindung der Neuziet, Die römische Aristokratie hatte es bereits vorgemacht, und mit der Renaissance wurden diese alten Gewohnheiten in Europa durch Adelige und wohlhabende Städter wiederbelebt. Im römischen Reich waren die städte im Sommer stickig, stinkend und heiß. Wer auf sich hielt, zog sich während der Hitze auf den Landbesitz zurück, um inmitten der Bauern die „vita rustica“ zu leben.“
So ist es noch heute Gang und Gebe zum Beispiel für römische Institutionen und Seminare, einen Sommersitz anzubieten, auf den man sich während der Sommermonate zurückziehen kann.
„Zuerst kam der Adel, dann folgten die Künstler, und um 1900 drängten immer mehr wohlhabende Bürger von der Stadt aufs Land. Ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz machte auch entlegene Winkel des Alpenvorlandes für Erholungssuchende zugänglich.“
So sitze ich nun also ebenfalls in der Eisenbahn auf dem Weg in ein Sommerglück, das voller Sehnsucht ist und die Weite und die Nähe gleichzeitig sucht. Und lese Joachim Ringelnatz:
„Brief in die Sommerfrische“
Ich habe so Sehnsucht nach Dir.
Weil alles so gut steht
Auf unserem Gemüsebeet.
Und Du bist in England. Nicht hier
Bei mir.
Frau heißt auf Englisch „wife“;
Muß man, um das zu lernen,
Sich so weit und so lange entfernen?
Bei uns ist alles Gemüse reif.
Meinst du, daß ich das allein
Esse? Kommt gar nicht in Frage.
Und so vergehen die Tage.
Könnte doch zu zweit so billig sein.
Bis August und noch September vergeht,
Ist alles verfault auf dem Beet.
Aber Englisch ist wichtiger als Gemüse,
Das es schließlich auch in Büchsen gibt.
Und ich gönne dir das alles sehr. Grüße
Dich!
Dein Mann (einsam in Dich verliebt).