Team phil kostet: Freyenstein

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Wildkräuter-Reigen

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Wer zu Meinrad Neunkirchner ins Gourmet Gasthaus Freyenstein in die Thimiggasse pilgert, der erwartet neue Geschmäcker, ausgeklügelte Kombinationen und – im Sommer besonders herrlich – das Degustationsmenü im lauschigen Gastgarten serviert. Wildkräuter sind ein besonderes Herzensthema von mir, als Landkind stärkt das irgendwie meine Verbindung zu allem was wächst und gedeiht, und irgendwie auch vom Team phil, das ständig auf der Suche nach dem Ungewöhnlichen ist. Zumindest von einem Bewertungsabend im Freyenstein reden wir schon lang.

Von der Schwierigkeit, sich festzulegen

Ich weiß nicht, wie es euch geht. In Anbetracht von oft in vielerlei Hinsicht verlockend klingenden Speisekarten kann ich mich oft nicht festlegen. Wenn´s um die Auswahl von Speisen geht, hab ich wirklich oft die Qual der Wahl. Schließlich geht es mir in den wenigsten Fällen darum, mich schlicht und einfach satt zu essen (obwohl mit einem ausgewachsenen Hanger nicht zu spaßen ist), sondern darum zu vergleichen, zu schmecken, die Sinnesorgane mit immer neuen Reizen zu kitzeln.

Gelobt seien da jene Tempel des Genusses die aus meiner Not eine Tugend machen und Abendmenüs, Degustationsfolgen oder einfach nur ein Menu du jour anbieten – mit möglichst vielen kleinen Portiönchen!

Um einen solchen handelt es sich beim Freyenstein. Es gibt nur ein Menü. Das aber hat – Gruß aus der Küche zu Beginn und Abschluss nicht mitgezählt – 11 verschiedene Gerichte, die in fünf Gängen serviert werden.

Gruß aus der KücheAls Amuse Gueule kommen gleich mal zwei kleine Schälchen – ein äußerst mild-feines mit  Räucherlachs und Kaviar auf einem relativ fest-cremigen Limettenschaum. In das längliche Schälchen hatte und der Küchenchef eine mit Kräutertopfen gefüllte Salamischeibe in Estragoncreme gesetzt und diese mit Kürbiskäse und Weinraute dekoriert. Es empfiehlt sich die vorgegebene Essreihenfolge, da die Aromen rechts jene links leicht erdrücken.

Erbsen-Minz-Risotto und Spargel mit Gelee

Den Vorspeisenreigen beginnt ein Gelee vom Maishendl mit mariniertem grünen Spargel und Basilikumsprossen. Nicht verwirren lassen, die überraschende Kombination aus knackigem Gemüse und weichem Gelee mit einer großen Portion umami findet sich rechts, obwohl als erster Gang angekündigt.

Links daneben ein wunderbar körniges, gut abgeschmecktes Erbsen-Minz-Risotte mit Pimpinelle, das so gut abgeschmeckt ist, dass das Minz-Aroma die sehr zarte Pimpinelle nicht überdeckt. Hmm! Auch der A. ist kurz davor, das kleine Schüsselchen auszuschlecken.

 

Schon wartet das nächste Highlight auf uns! Wer`s aus ruhigen Wintertagen gewohnt ist, länger auf den nächsten Gang zu warten, der wird sich im Sommer sehr wundern: Um 22:00Uhr muss der Gastgarten geräumt sein, was einen Menübeginn um 19:00Uhr direkt zum Startschuss eines Schnelldurchlaufs werden lassen kann.

Kohlrabisuppe und SchwammerlgulaschNeben einem Eierschwammerlgulasch (sehr fruchtiger Paprika!) mit Ysop-Griesknöderl, das eher unter den geschmacklichen Erwartungen bleibt, und herrlich zum Gulasch passenden, frisch-aromatischen Majoran-Knospen findet sich ein samtenes Kohlrabisüppchen, das von dem fabelhaften Safranschöberl mehr geadelt wird, als von dem einzelnen Zweiglein Kerbel.

Räucherfisch mit RahmgurkenRasant nähern wir uns dem Fischgang. Eine Rilette von der Räucherforelle in Pumpernickel-Brösel kommt auf Rahmgurken mit Spitzwegerich daher. Nachdem wir bei der Suppe nach potenziell Laktose-hältigen Anteilen gefragt hatten, kommen die Rahmgurken unaufgefordert einmal nicht mit Rahm, sondern mit Vinaigrette. Das gibt Pluspunkte von der Genuss-sicheren aber laktose-gefährdeten P.!

Meeräsche mit Roten RübenA.`s Lieblings-Gericht des heutigen Menüs liegt gleich nebenan: eine in silbrig-glänzender, nicht glitschiger sondern feinledriger Haut servierte Meeräsche a la plancha auf Raunen, Kren und Sprossen von rotem Senf, einer Asiasalat-Sorte.

Nach diesen sehr gelungenen Gängen – mit Fisch und stimmig zubereitetem Gemüse kann man das Team phil immer begeistern –  kamen zwei Gänge, mit denen wir uns etwas schwer getan haben.

Schnitzel und gefüllter PaprikaDa hätten wir einerseits das Wiener Schnitzel vom Perlhuhn – schöne Panier, tolles, saftiges Fleisch – in dem sich gleich zwei der meiner Meinung nach drei problematischen Wildkräuter fanden: Vogelmiere schmeckt für mich einfach zu sehr nach Stallmist. Und von der Taubnessel, die der Küchenchef in den Erdäpfelsalat verarbeitet hat, sollten meiner Meinung nach nur die Blüten verwendet werden, die Blätter schmecken etwas vermodert. Beides keine einfachen Geschmäcker. Nummer drei des Trio infernal der Wildkräuter ist meiner Meinung nach der Giersch, der nach grünem Schimmel und abgestanden schneidend schmeckt. Auch um den mach ich, der sonst alles schmeckt und die zumindest alles kostet, einen weiten Bogen.

Kein Wildkraut findet sich im gefüllten grünen Paprika, sondern frisches Bohnenkraut, das ich besonders gerne für Salate mit Ziegenfrischkäse kleinschneide und das, wie auch Majoran, Weinraute, Pimpinelle und Kerbel auf meinem Dachterrassengarten wächst.

gefüllter PaprikaHier pimpt das Bohnenkraut ein Saftl mit Steinpilzen, in das der Paprika gesetzt wurde. Leider ist die Fülle des Ganzen etwas sehr fein passiert und damit schon fast unappetitlich homogenisiert. Konsistenz eigenartig, Geschmack, naja, ok. Ich muss zugeben, gefüllte Paprika an und für sich sind eine Reminiszenz an die Wiener Beisl-Kultur, der ich nie viel abgewinnen konnte. Aber es gab ja noch einen Gang, um mich wieder ein bisschen zu versöhnen.

Zum Dessert steht zur Auswahl: eine süße Variation oder ein Kuhmilch-Weichkäse mit Begleitung – jeweils drei kleine Geschmacksproben.

Dessert-VariationenDie süße Variation von links nach rechts: Überbackene Stachel- und Himbeeren mit Lorbeereis und Streuseln (lorbeeriger als die Variante von letzter Woche im La Veranda, mit Stachelbeeren eine schöne Kombination!), ein Caramellsüppchen mit Erdbeere und Erdbeerminze – mir einen Hauch zu süß, von der Konsistenz aber wunderbar weich) und – der Finsternis der Währinger Gastgarten-Nacht kaum zu entreißen – eine sehr Mohnige Mohn-Kirschenschnitte mit einer wenig aufgregend schmeckenden Mandarinanminze.

Tomme FleuretteDie Käseliebhaber (ich!!!) freuen sich über eine Tomme Fleurette (Kuhmilch) mit Tomatencoulis (sehr würzig, kaum tomatig, könnte etwas weniger flüssig sein) und eine eingelegte Zwergbirne, die nach Speckbirne oder etwas ähnlich leder-schaligen wirkte, sehr rund im Geschmack, gewürzig-süß und saftig.

Bei Meinrad Neunkirchner zahlt man sehr preiswerte 46€ für dieses Menü. Das Gedeck zu 4,80€ kommt da noch dazu. Dafür gibt es nicht nur den Gruß aus der Küche zu Beginn und Brot von Kasses, sondern auch einen kleinen Abschied aus der Küche: eine flüssig mit Marillencoulis gefüllte weiße Schoko-Praline, eine Nougat-Praline und ein Raffaello von der Mandel und Pistazie.

PralinenDa unser Kellner unabsichtlich aus unserer Bouteuille ein Glas (unbenutzt!) für den Nachbartisch befüllt hatte, wurden wir zum Abschluss des Abends auf einen Illy-Kaffee eingeladen.

Schön, wenn Service schnell und flexibel reagiert. Denn passieren kann einfach immer was.

Fazit gefällig?

A. meint „ein lauschiger Sommerabend mit jeder Menge lukullischer Genüsse.“

Drei der vier Team-Member vergeben für das Freyenstein sogar die Höchstnote von 5 Genusspunkten! Schön ist jedenfalls, dass Neunkirchner die übliche Geschmackspalette eines gediegenen Restaurants spielend erweitert, ohne dabei den Preis nachzuziehen. Auch wenn er diesmal kein Kraut zu servieren wusste, das ich noch gar nicht kannte, war`s doch ein köstlicher Abend.

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