Gelesen: Der Koch von Martin Suter und gesehen: Madame Mallory und der Duft von Curry
Gelesen, ja verschlungen wie andere seiner Bücher hatte ich Martin Suters „Der Koch“ schon lange. Und dabei bin ich mir meistens nicht einmal im Klaren, ob ich darüber zufrieden sein kann, dass sich Suters Bücher wie von selbst in einen hinein schlingen, wo sie doch so vieles offen und unbearbeitet lassen. Fast zu schnell rasen einem die Blätter durch die Finger.
In der Leserunde hatten wir dieses Buch jedenfalls dieses Jahr im April, oder war es Mai? Da trifft es sich also nicht so schlecht, wenn man sich dann wie ich diese Woche bei einer Tastemaker-Preview im Artis Kino wiederfindet und sich vorab „Madame Mallory und der Duft von Curry“ ansehen darf.
So wie sich in einem guten Curry oder überhaupt in jedem guten Rezept die Einzelzutaten zu einem singenden, klingenden Ganzen verbinden, lese ich heute den Koch Maravan in Madame Mallorys Nachbarn Hassan, sehe im Kino beide, die Einwanderer sind und mit dem Quäntchen Glück und Gabe ausgestattet, kulinarische Könner und Künstler zu sein und indische bzw. tamilische Gewürze zur Hand haben um es zu beweisen.
Buch und Film, aber nicht vom Selben
Nicht, dass ihr mir auf die Idee kommt, die beiden künstlerischen Ausdrucksformen stammten von dem selben Werk ab. Der nueste Film von Regisseur Lasse Hallström, Madame Mallory und der Duft von Curry, oder auf English viel passender „A Hundred-Foot Journey“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Richard Morais.
Damit hat Martin Suters Roman „Der Koch“ nicht direkt etwas zu tun, abgesehen von den geradezu offensichtlichen Parallelen: Indischer/tamilischer Einwanderer, der vom Können he rein Chef, vom Ansehen her aber bloß ein Immigrant/Ayslant ist und niedere Dienste versehen muss. Im Buch wird aus Maravan nie ein angesehener Küchenchef, während bei Madam Mallory der junge Hassan es zu Michelin-Sternen und kulinarischem Ruhm bringt.
Molekular toben sich beide aus, Hassan in einem Pariser Gourmet-Tempel, Maravan in seinen halb-legalen sinnlichen Sex-Dinners. Das ist nämlich eine der Nebenhandlungen, die Suter aufreißt und versucht in einer Tour de Force durch zu klopfen, neben Wirtschaftskriminalität, Freunderlwirtschaft und gesellschaftskritischen Betrachtungen von Völkerkriegen am indischen Subkontinent, die noch dazu mit tragischen Todesfällen enger Familienangehöriger Maravans verschnitten werden. Das ist alles ein wenig sehr gepanscht. Und, auch das muss man sagen, teilweise sehr geschmacklos.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich die Rezension des Buches noch schuldig bin. Das kann eigentlich nur an dem für mich wenig respektvollen Umgang mit Genuss liegen, der trotz der Bemühungen des Autors nach politisch-korrektem Umgang mit der tamilischen Kochhistorie des Protagonisten, als schaler Nachgeschmack auf der Zunge bleibt. Ein Bestseller, den die Bild mit Rezeptvorschlägen und dem Titel „So kochen Sie sich scharf“ aufnimmt, geht für mich an einem holistischen, respektvollen Umgang mit Genuss und Erleben vorbei, das gutes oder ehrliches Essen und Schmecken immer ist.
Auch der Spiegel-Rezensent scheint etwas abgeturnt von derlei schlüpfrigem Umgang mit der Materie:
Dumm nur, dass Suter auf Teufel komm raus versucht, Stoff für einen Tausendseiter in diese kleine Romansphäre zu blasen: tamilische Parallelwelten in Zürich, internationale Finanzkrise, Schweizer Kriegswaffenausfuhrgesetz – und immer wieder der Bürgerkrieg in Sri Lanka, in dessen Verlauf auch Maravans Großtante Nangay, von der er das Kochen gelernt hat, ums Leben kommt, und deren Tod er an einem Waffenhändler kulinarisch rächt.
Zentrales Problem: Suter versucht, den Plot entlang der Avantgarde-Kochversuche Maravans zu erzählen. Dessen „Love Menu“ besteht aus schlüpfrigen Sugardaddy-Phantasien wie „Glasierte Kichererbsen- Ingwer Muschis“ oder „Gelierte Spargel-Ghee-Phallen“…
Was hat das alles mit Helen Mirren zu tun?
Nun, die spielt die Queen eines Genusstempels, der mit dem indischen Curry-Laden, in dem Hassan gegenüber zaubert, nicht viel gemein hat. Und man kann sich vorstellen, dass es nicht einfach ist, solch eine Lady zu überzeugen. Im Gegensatz zur etwas vermurksten, verkorksten, vielleicht auch realistischeren gEschichte Maravans findet Hassan jedeoch einiges auf dem Weg: nicht nur die Genüsse der großen französischen Küche, sondern auch seinen weg nach oben und -nicht zu letzt – die große Liebe.
Tastemakers Preview
Soweit erfüllt der Film, zu dem Constantin Film Foodies und Mindsetter aus Wien kürzlich zum Tastemakers Screening ins Artis Kino einlud, alle Hollywood-Cliches. Aber das tut er auf eine liebenswürdige und durchdachte, ja intelligente Art und Weise: wie die Kulturen in dem kleinen französischen dörfchen aufeinander prallen, wie gegenseitiges Kennenlernen und auch die nachbarschaftlichen Animositäten verlaufen können, all das kommt mit Witz und ein wenig Selbstironie daher, bei Madame Mallory und der Duft von Curry.
Umso schöner, dass wir uns zuvor an Köfte, Samosas und Tandoori-Spießchen gütlich tun konnten. Mir haben diese Kleinigkeiten, die mit Tomatenchutney mit Schwarzkümmel und Paprika-Marmelade serviert wurden, wunderbar geschmeckt. Zum Nachtisch gab es etwas sehr knusprige (harte!) Waffelröllchen mit Haselnusscreme, Zitronentartelettes und Panna-Cotta im Glas. Auch wenn einige der Tastemakers die auch im Glas servierte Mangocreme von einer Zitronencreme nicht unterscheiden konnten…
Ich habe die Einladung und den Film sehr genossen. Man muss ja nicht mit allen den Geschmack(sinn) teilen. Merci beaucoup!