Folgende Zeilen fanden sich in Der ZEIT, und zwar am 6. Juni 1969. Ein ganzes Stück bevor irgendjemand Foodblogger überhaupt buchstabieren konnte. Geschrieben wurden diese wundervoll geist- und witzreichen Zeilen von Sybil Gräfin Schönfeldt.
Kochbuch-Autoren-Kummer
Das Schlimmste am Kochbuchschreiben ist das Korrekturlesen. Man lebt in der Todesangst, Zutatenfehler oder Mengen-Vertipper übersehen zu haben, und nach zwölf bis zwanzig Rezepten ist man ein betäubtes Opfer von Mehl, Pfeffer und feingehackter Petersilie.
Trotzdem: ein Leser schickt mit sanfter Klage ein aus einer Zeitung (die liest selber Korrektur) ausgeschnittenes Rezept: „Stimmt das denn wirklich?“ Es drehte sich um eine Baisermasse, die hauptsächlich aus Zucker und Eiweiß besteht, und der Setzer hatte die letzte Null beim Zucker gespart: Es hätten 500 Gramm sein sollen, nicht 50.
Das Allerschlimmste beim Kochbuchschreiben sind die berühmt guten Köchinnen unter den Leserinnen. Sie wissen alles besser, bezweifeln jede neue Erkenntnis der Ernährungswissenschaft, lehnen mißtrauisch alles ab, was modern ist und Arbeit spart, und raten mir, das Kochen doch wieder als „Aufgabe“ zu betrachten. Sie haben schließlich eine Position zu verteidigen, und sie glauben außerdem nicht, daß a) Gräfinnen und b) Intellektuelle kochen und backen können. Wer beides ist, muß doppelt büßen.
Immerhin, der stolzen Großmut dieser Hüterinnen deutscher Herde verdanke ich manches köstliche Familienrezept.
Das Allerailerschlimmste sind jedoch die Laien-Köchinnen unter den Damen, die ohne Vorbildung und -übung sozusagen aus dem Stand meinen kochen zu können: Frauen ist das angeboren. Sie schieben die ergo folgenden Küchen-Malheure unbekümmert den fernen und ahnungslosen Kochbuchautoren in die Schuhe.
Eine von ihnen, Engeline H., schrieb der ZEIT-Redaktion: „Die reizende Plauderei der Gräfin Schönfeldt über zeitgerechte Ernährung veranlaßt mich, vor ihren Ratschlägen zu warnen! Wollen Sie bitte so freundlich sein und ihr meine Ladung Gebäck zustellen? Großes Ehrenwort: Rezept der Gräfin Schönfeldt. Ich empfehle der Redaktion, der Mitarbeiterin für Lukullisches zum nächsten Geburtstag Hammer und Meißel zu schenken, damit sie sich von der Reiß- und Beißfestigkeit ihrer Produkte überzeugen kann.“
So kam ich an ein Päckchen mit vier steinharten Honigkuchen, die ich dahin legte, wohin sie gehören: in die verschlossene Blechdose. Nach einem Tag waren sie butterweich und schmeckten so fabelhaft wie fast alle Sachen der verehrungswürdigen Henriette Davidis (1800 bis 1876). Denn Engeline war nicht nur im Umgang mit Honiggebäck vollkommen unerfahren, sie hatte auch überlesen, daß ich mit diesem Rezept ausdrücklich eins von dem ersten Kochbuch-Star Deutschlands zitiert hatte.
Immerhin, man muß selbst als Kochbuchautor mit allem rechnen. Gott sei Dank schreiben die meisten Leser: „Es hat uns gut geschmeckt!“ Die Redaktion kann das Geld für Hammer und Meißel sparen.
Sybil Gräfin Schönfeldt